Klicken Sie hier, um den Brief von NGO Monitors an den Präsidenten der Europäischen Kommission bezüglich der Anti-Terror-Klausel zu lesen (Englisch)

Während einer Sitzung des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten (AFET) des Europäischen Parlaments am 19. Mai 2020 erklärte der für Nachbarschaft und Erweiterung zuständige Kommissar Olivér Várhelyi, er habe die Leiter der EU-Delegationen in Israel und im Westjordanland/Gaza angewiesen, sich „eingehend“ mit den Vorwürfen zu befassen, dass einige EU-Fördermittel an NGOs mit Verbindungen zu terroristischen Organisationen gehen würden, und erklärte, dass die Vergabe der Fördermittel für solchen Zweck „nicht toleriert wird“.1

Dies folgt auf Bedenken der Mitglieder des Europäischen Parlaments und der Zivilgesellschaft hinsichtlich eines „Klärungsschreibens zu den EU-finanzierten Verträgen“, das am 30. März 2020 von der EU-Repräsentanz im Westjordanland und im Gazastreifen an das palästinensische NGO-Netzwerk (PNGO), eine Dachorganisation von 135 palästinensischen NGOs, gesendet wurde. Darin scheinen die EU-Diplomaten dem palästinensischen Druck nachzugeben und EU-Vorschriften, die den Transfer von EU-Geldern an Terrorgruppen oder mit diesen Gruppen verbundene Personen verbieten (welche palästinensische NGOs als „politische Parteien“ und „Widerstandsfraktionen“ bezeichnen), aufzuheben. Nachdem der Brief in den israelischen Medien veröffentlicht worden war, wurde der EU-Botschafter in Israel zu einer Demarche im israelischen Außenministerium gerufen.

Mindestens fünf Mitglieder der PNGO haben nachweislich Verbindungen zu von der EU als solchen benannten Terrororganisationen, einschließlich Mitarbeiter und/oder Vorstandsmitglieder, die direkt an Aktivitäten und Programmen beteiligt sind – zusätzlich zu den verschiedenen palästinensischen NGOs und humanitären Organisationen, die der PFLP nahestehen. Zusätzlich zur bereits laufenden Finanzierung kündigte die EU am 9. April ein massives Hilfspaket für die PA in Höhe von „rund 71 Mio. EUR als Reaktion auf die Coronavirus-Pandemie“ an, darunter „humanitäre Hilfe in Höhe von 6,9 Mio. EUR“ für unbestimmte „Nichtregierungsorganisationen und UN-Organisationen die bereits im Westjordanland und im Gazastreifen vor Ort präsent sind“.

In der Praxis bedeutet dies, dass selbst dann, wenn eine palästinensische NGO, die EU-Zuschüsse beantragt, Mitglied einer terroristischen Organisation ist oder Personen die den Terrorgruppen nahestehen, beschäftigt, die EU wird ihnen trotzdem Steuergelder zur Verfügung stellt, unabhängig davon, ob sie für Notfallmaßnahmen gegen COVID-19 oder für reguläre Projekte vorgesehen sind.

Hintergrund

Im Jahr 2019 hat die EU in ihren Verträgen mit NGOs eine Anforderung unter „Allgemeine Bedingungen für von der Europäischen Union finanzierte Förderverträge für externe Maßnahmen“ eingeführt (Anhang G.2, Anhang II, Artikel 1.5 bis). Darin heißt es: „Zuschussempfänger und Auftragnehmer müssen sicherstellen, dass keine Subunternehmen und/oder Individuen, einschließlich Teilnehmer an Workshops und/oder Schulungen und Empfänger von Fördermitteln die an Dritte weitergegeben werden, in den EU-Terrorlisten aufgeführt sind“. Im palästinensischen Fall sind in diesen Listen von der EU benannte Terrororganisationen aufgeführt (z. B. Hamas, Izzedine al-Qassam-Brigaden, Al-Aqsa-Märtyrer-Brigade, Islamischer Dschihad und die Volksfront für die Befreiung Palästinas).

Medienberichten zufolge weigerten sich Vertreter der PNGO während eines Treffens mit EU-Beamten im Dezember 2019, einen EU-Zuschussantrag zu unterzeichnen, in dem unter anderem festgelegt wurde, dass die Begünstigten die Übertragung von EU-Hilfe an terroristische Gruppen oder Organisationen ablehnen müssen. Die fraglichen Organisationen lehnen dies standhaft ab und behaupten, palästinensische Terroristengruppen seien lediglich ‚politische Parteien‘“. Laut dem European Legal Support Center (ELSC)2, einer in den Niederlanden ansässigen Initiative von PNGO und Rights Forum, sagte der damalige EU-Vertreter in Ramallah Tomas Niklasson, gegenüber PNGO: „Angesichts der Tatsache, dass kein einzelner Palästinenser in der EU-Liste (Anti-Terror) aufgeführt ist; Die Verpflichtung, keine Fördermittel an eine der sieben derzeit auf der Liste aufgeführten palästinensischen Organisationen zu überweisen, schafft keine zusätzliche Verpflichtung für Organisationen der Zivilgesellschaft (über ihre Verpflichtungen nach innerstaatlichem Recht hinaus), und es besteht keine Verpflichtung oder Erwartung seitens der EU, dass wir eine Person aufgrund ihrer politischen Zugehörigkeit diskriminieren werden“.

Weit davon entfernt, von Niklasson beruhigt zu werden, starteten am 30. Dezember 2019 mehrere palästinensische NGOs, darunter PNGO-Mitglieder, eine „Palästinensische Nationalkampagne zur Ablehnung der bedingten Finanzierung“. Die Kampagne, die die „bedingte Finanzierung“ der EG und „sogenannte Anti-Terror-Klauseln und -Politiken … zur Verhinderung von Terrorismus, der die Geschichte und den Kampf unseres Volkes beeinflusst“ (Hervorhebung hinzugefügt) ablehnt, rechtfertigt die Anwendung von Gewalt und behauptet, dass die „Palästinensische Widerstandsfraktionen keine terroristischen Organisationen sind“ (siehe Videoclip).

Darüber hinaus scheint es, dass am 20. Januar 2020 während eines Treffens zwischen Beamten palästinensischer NGOs und EU-Vertretern in Brüssel die Beschwichtigungsbotschaft der EU wiederholt wurde. Laut ELSC erklärten Palästina Desk Officer des Europäischen Auswärtigen Dienstes Paloma Portela und Francesca Pessina vom Ministerium für internationale Zusammenarbeit und Entwicklung der Europäischen Kommission (DEVCO) gegenüber den Führungskräften der NGO: „Die [Anti-Terror] -Klausel hat keine neuen Bestimmungen und Verpflichtungen gegenüber EU-Begünstigten in Palästina auferlegt“.

Parallel zur Einschüchterungs- und Lobbykampagne palästinensischer NGOs und der PA3 veröffentlichte ELSC ein Memo (am 3. März 2020), in dem die Anti-Terror-Klausel analysiert und, wie bereits von den EU-Vertretern bewertet wurde, dass „die Annahme dieser Klausel keine spürbaren Auswirkungen auf Organisationen der palästinensischen Zivilgesellschaft haben wird“ (Hervorhebung im Original).

Zusätzlich zu dem Memo veröffentlichte die palästinensische NGO BADIL, die die „Palästinensische Nationalkampagne zur Ablehnung der bedingten Finanzierung“ initiierte und behauptet, ein PNGO-Mitglied zu sein, (am 7. Mai 2020) ein „Positionspapier: Bedingte Finanzierung der Europäischen Union: Ihre Illegalität und politische Implikationen“.

  • Dem Positionspapier zufolge „widerspricht Artikel 1.5 bis nicht nur den Grundsätzen des humanitären Handelns, sondern auch den völkerrechtlich anerkannten legitimen Menschenrechten des palästinensischen Volkes, einschließlich des Rechts auf Selbstbestimmung und des Rechts, Widerstand zu leisten mit allen legitimen Mitteln gegen ausländische Unterdrückung, Besetzung, Kolonialisierung und Apartheid. Der derzeitige Rahmen für die Terrorismusbekämpfung, welcher der palästinensischen Zivilgesellschaft gemäß Artikel 1.5 bis auferlegt wurde, kriminalisiert den Kampf des palästinensischen Volkes um sein Selbstbestimmungsrecht, trägt zur Entpolitisierung und Entfremdung der palästinensischen Zivilgesellschaft bei und vernachlässigt das Recht des palästinensischen Volkes auf legitimer Widerstand“.

Der Brief der EU vom 30. März

In der Mitteilung vom 30. März wird betont, dass „es selbstverständlich ist, dass eine natürliche Person, die einer der in den EU-Restriktionslisten genannten Gruppen oder Organisationen angehört, mit ihnen sympathisiert oder diese unterstützt, nicht von EU-finanzierten Aktivitäten ausgeschlossen ist, es sei denn, die genaue Vor- und Nachname (Bestätigung seiner Identität) entsprechen einer der natürlichen Personen auf den EU-Restriktionslisten “ (Hervorhebung hinzugefügt). Darüber hinaus heißt es in dem Schreiben: „In Bezug auf Palästina stehen gemäß der Verordnung 2580/2001 des Rates keine palästinensischen natürlichen Personen auf der Liste der restriktiven Maßnahmen“.

Mit anderen Worten, selbst wenn eine palästinensischen NGO, die EU-Zuschüsse beantragen würde, Mitglied einer von der EU als solche benannten terroristischen Organisation sein würde (wie es eine Reihe sind) oder Einzelpersonen aus diesen Gruppen beschäftigen würde, wird die EU dennoch für diese NGO Steuergelder zur Verfügung stellen.

Die Europäische Union betont auch, dass „die EU keine zivilgesellschaftliche Organisation auffordert, ihre politische Position gegenüber einer palästinensischen Fraktion zu ändern oder eine natürliche Person aufgrund ihrer politischen Zugehörigkeit zu diskriminieren“.

Hintergrundinformation zur PNGO

PNGO wird von der Europäischen Union (EU)4 und anderen internationalen Gebern großzügig finanziert, um die palästinensische Zivilgesellschaft zu stärken, koordinieren und vernetzen. PNGO ist auch ständig im humanitären Landesteam der Vereinten Nationen vertreten, welches die gesamte internationale Hilfe in Gaza und im Westjordanland koordiniert. Dies beinhaltet einen Sitz im Beirat des gemeinsamen Finanzierungsmechanismus für humanitären Hilfe der Vereinten Nationen, der für Notfälle vorgesehen ist und der PNGO Entscheidungsbefugnis bei der Auswahl der Begünstigten des Fonds einräumt.

Verbindungen der PNGO zu der Terrororganisation PFLP

Walid Hanatsheh (Abu Ras) wird als Vertreter einer mit PFLP verbundenen NGO, Health Work Committees (HWC), als PNGO-Vorstandsmitglied aufgeführt und ist der Finanz- und Verwaltungsmanager der HWC.

  • Hanatsheh wurde im Oktober 2019 verhaftet und soll der Anführer der „militärischen“ Operationen der PFLP im Westjordanland sein.
  • Laut einer Anklage vom 12. Dezember 2019 vor einem israelischen Militärgericht befehligte er Samer Arbid, welcher seinerseits beschuldigt wurde, eine PFLP-Terrorzelle angeführt zu haben, die im August 2019 einen Bombenanschlag verübte. Bei dem Anschlag wurden die 17-jährige Rina Shnerb ermordet und ihr Vater und Bruder verletzt (bei NGO Monitor hinterlegt).
  • Laut einem israelischen Medienbericht hat Hanatsheh den Anschlag finanziert.

PNGO beschreibt Ashraf Abu Aram als „Menschenrechtsverteidiger und Anwalt des palästinensischen NGO-Netzwerks (PNGO)“. Laut einer Erklärung von PNGO vom November 2019 wurde Abu Aram von den israelischen Sicherheitskräften (am 7. November 2019) festgenommen und „für vier Monate in Verwaltungshaft genommen“.

In einem Bericht aus dem Jahr 2012 in Haaretz wurde Abu Aram als PFLP-Mitglied identifiziert, welcher verhaftet wurde, weil er „angeblich vorhatte, einen IDF-Soldaten zu entführen, um die Freilassung des PFLP-Anführers Ahmed Sa’adat aus einem israelischen Gefängnis zu erzwingen“. Laut der israelischen Sicherheitsbehörde (Shabak) „kontaktierte Abu Aram bereits einen örtlichen Waffenhändler, um zwei Pistolen und ein automatisches Gewehr zu erhalten, mit denen die geplante Entführung durchgeführt werden sollte“.

Mehrere PNGO-Mitgliedsorganisationen haben Verbindungen zur der Terrororganisation PFLP:

Samer Arbid und Abdel Razeq Farraj, beide leitende Angestellte bei UAWC, wurden 2019 wegen ihrer mutmaßlichen Beteiligung am Bombenanschlag vom 23. August 2019 festgenommen (siehe oben).

  • Samer Arbid: Laut israelischen Sicherheitsbeamten befehligte Samer Arbid eine PFLP-Terrorzelle, welche Bombenanschläge gegen israelische Zivilisten durchgeführte. Nach Angaben der israelischen Sicherheitsagentur (Shabak) hat Arbid das Sprengmittel vorbereitet und zur Detonation gebracht.
  • Abdel Razeq Farraj: Gemäß seiner Anklage hat er den Bombenanschlag genehmigt.

Ablehnung der Finanzierungsanforderungen für die Terrorismusbekämpfung durch PNGO

PNGO hat bereits zuvor die anti-terrorismus Rhetorik in Förderverträgen abgelehnt, den palästinensischen „Widerstand“ verteidigt und die Normalisierung mit Israel und Israelis zurückgewiesen:

  • Im Juni 2017 verurteilte PNGO Norwegen, weil es Fördermittel einem Jugendzentrum, das nach Dalal Mughrabi benannt war – einer Terroristin, die in 1978 37 Zivilisten, darunter 12 Kinder, ermordete, entzogen hatte. PNGO behauptete, dass „es einen Unterschied zwischen Freiheitskämpfern und Terroristen gibt“. PNGO löschte später die Erklärung von seiner Website (aufbewahrt im „Internet Archive“: „PNGO verurteilt Norwegen, und verlangt, dass nach einer Rückzahlung der Gelder für das nach Dalal Mughrabi benannte Zentrum“ (Englisch)).
  • Im April 2017 forderte PNGO die internationale Gemeinschaft auf, „keine Förderhilfe zu verwenden, um den legitimen palästinensischen Widerstand zu untergraben“. PNGO: „Wir lehnen jede De-Legitimierung oder Kriminalisierung des rechtmäßigen palästinensischen Widerstands ab, sei es in Form von Vorwürfen des Terrorismus, des Antisemitismus oder auf andere Weise. Wir fordern alle Regierungen und Hilfsanbieter auf, unser Recht auf rechtmäßigen Widerstand zu respektieren und die palästinensischen Menschenrechtsverteidiger zu unterstützen und einen gleichberechtigten, unparteiischen und transparenten Zugang zu Finanzmitteln für alle zu gewährleisten“.
  • Laut einer 2013 von den Vereinten Nationen in Auftrag gegebenen Studie erklärte PNGO, dass ihre Mitglieder keine Finanzierungsvereinbarungen unterzeichnen würden, die das ATC [Anti-Terror-Zertifikat] enthalten. Dies ist nun eine Bedingung für die Mitgliedschaft im Rahmen der PNGO-Satzung“.
  • 2013 verurteilte PNGO das EU-Programm „Partnerschaft für den Frieden“, um die „Normalisierung zwischen palästinensischen und israelischen Organisationen der Zivilgesellschaft“ zu fördern.
  • Im Jahr 2008 war PNGO einer der Autoren des „Verhaltenskodex der palästinensischen NGOs“, der die Mitglieder dazu verpflichtet, „ohne Normalisierungsaktivitäten mit dem Besatzer im Einklang mit der nationalen Agenda zu stehen, weder auf der sicherheitspolitischen, noch auf der kulturellen oder entwicklungsbedingten Ebenen“. Mit anderen Worten, wenn eine NGO den kulturellen Austausch zwischen Israelis und Palästinensern fördern möchte – eine Form der Normalisierung, wird sie nicht von PNGO vertreten, was ihre Finanzierung gefährdet.
  • Im Jahr 2007 führte PNGO einen Boykott der USAID-Finanzierung an, nachdem in Finanzhilfevereinbarungen Antiterrorklauseln eingeführt worden waren.